Coronazeit

Coronazeit

Perspektiven einer neuen Realität

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Episode # 83

Kreativwirtschaft als Transformationslabor der Gesellschaft

Gäste:

Christoph Backes: Vorstandsvorsitzender

Christoph Backes: u-Institut

Roxana Hennig: CEO Remmy VR

Alissa Hitzemann: CEO B wie Berlin

Moderation: Stefani Gregor

Intro: Coronazeit – Perspektiven einer neuen Realität.

Gregor: Neu und anders denken, manchmal aus Eigennutz und manchmal, um anderen zu helfen. Aber immer aus einem Mangel heraus. Es geht um freigesetzte Kreativität und darum, Lösungen zu finden. Herzlich willkommen zu einer neuen Episode der Coronazeit. Nach einer längeren Pause starten wir wieder mit einem sehr schönen Thema, wie ich finde: Es geht um visionäre Menschen, die die Welt ein Stückchen besser machen. Genannt werden sie in diesem Fall „Kultur- und Kreativpilot*innen“. Das Ganze im Rahmen eines Wettbewerbs. Und heute wurden die Gewinnerinnen bekannt gegeben.

Aber der Reihe nach. Denn erst möchte ich unsere Gäste vorstellen: Aus Magdeburg zugeschaltet ist Roxana Hennig von Remmy VR. Ihr Start-up hat sich darauf spezialisiert, Virtual Reality für Senioren anzubieten. Herzlich willkommen!

Hennig: Hallo, freut mich da zu sein.

Gregor: Dann ist mir dabei Alissa Hitzemann von B wie Berlin, die zwischen Lockdown und Homeschooling für Kinder ein sehr besonderes Lernkartenspiel entwickelt hat. Hallo Alissa.

Hitzemann: Halli-Hallo, ich freue mich da zu sein.

Gregor: Und ebenfalls aus Berlin ist Christoph Backes, zugeschaltet vom u-Institut unternehmerisches Denken und Handeln e.V. Er ist der Initiator der Kultur- und Kreativpilot*innen. Und auch an Sie ein herzliches Hallo!

Backes: Hallo! Vielen Dank, dass ich dabei sein darf.

Gregor: Ich freue mich sehr über diese Runde. Ja, seit heute stehen die Gewinnerinnen 2021 fest und zwei haben wir heute hier. Herzlichen Glückwunsch erstmal!

Hitzemann: Dankeschön.

Hennig: Danke.

Gregor: Herr Backes, bei den Kultur- und Kreativpilot*innen handelt es sich um einen Wettbewerb, das habe ich schon gesagt, von der Bundesregierung Ihr Institut organisiert diese Auszeichnung und es gab, wie ich gelesen habe, 765 Einsendungen und eine auch große Jury. Was für Leute sitzen in dieser Jury?

Backes: In der Jury sitzen ehemalige, ausgezeichnete Kreativpilot*innen. Da sitzen Menschen aus Ministerien, die das öffentliche Geld verwalten. Da sitzen Unternehmer*innen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, aber auch aus anderen Branchen. Das ist sozusagen ein ganz heterogener Mix an Menschen, die dann in der Jury-Situation vor allem Gespräche führen mit denjenigen, die wir auswählen und auszeichnen. Und da geht's uns um Multiperspektive. Also uns geht's ja um Persönlichkeiten, die wir auszeichnen. Und wenn neun verschiedene Menschen der Ansicht sind, dass sie irgendwie vor einer unternehmerischen Persönlichkeit sitzen und das im Konsens vertreten, egal was das Geschäftsmodell ist, egal sozusagen, wie weit die Unternehmung fortgeschritten ist. Das ist das Prinzip Trust and People, was wir praktizieren. Und die jetzigen Ausgezeichneten gehören sozusagen zu denen, denen wir unglaublich viel vertrauen und zutrauen.

Gregor: Sie haben mir erzählt, dass sie diesen Wettbewerb seit zwölf Jahren durchführen. Unser Podcast beschäftigt sich ja mit der Veränderung in der Gesellschaft seit oder durch die Pandemie. Haben Sie denn eine Veränderung in den Einsendungen bemerkt?

Backes: Ja, haben wir. Also die Kreativwirtschaft ist ja sowas wie das Transformationslabor der Gesellschaft. Und diejenigen, die sich dann bewerben, die reflektieren gesellschaftliche Entwicklungen. Und natürlich haben viele der Einsendungen. Ich würde sagen, wir haben das auch nochmal nachgeguckt über 80 Prozent mit der Pandemie zu tun und beziehen sich auch auf die Pandemie – positiv wie negativ. Grundsätzlich gilt für diejenigen, die sich bewerben, dass es so einen Spirit hat, dass es eher darum geht sowie realistische Optimisten mit einer positiven Energie Dinge anzufangen und zu verändern. Und das spürt man ganz deutlich bei den Einsendungen dieses Jahr.

Gregor: Ich sehe viele Frauen auf den Bildern der Preisträgerinnen. War das schon immer so oder gibt es da Plan an Wandel?

Backes: Da gibt's einen Wandel. Das hat sich über die Jahre verstetigt. Ich glaub, als wir am ersten Jahrgang waren, waren wir so Barnum, Männer, Frauen, Verhältnis von ich glaube 40 Prozent Frauen. Inzwischen sind wir, glaube ich, bei 70 Prozent Frauen, die wir auszeichnen. Das ist für einen Gründer*innen-Wettbewerb eine sehr, sehr hohe Quote, weil Gründer*innen sich normalerweise auch gar nicht auf Auszeichnungen bewerben so sehr wie ihre männlichen Kollegen. Aber das ist nicht das einzige Interesse, das wir haben. Wir versuchen auch, die Anzahl von nichtbinären Personen auch zu stärken und zu steigern. Und da ist sicherlich auch bei uns noch Luft nach oben.

Gregor: Wir sprechen von Gewinnern. Was kann man denn bei Ihnen gewinnen? Welchen Anreiz gibt es überhaupt, sich bei Ihnen zu bewerben bei diesem Wettbewerb?

Backes: Also das ist jetzt ein bisschen paradoxe Konstruktion: Man kann sich vor allem sich selbst gewinnen im Netzwerk mit anderen, die sich selbst gewinnen, weil es ja um die Selbstentwicklung geht bei Unternehmer*innen – in dem Fall, wenn man am Anfang steht. Aber auch wenn man schon ein bisschen fortgeschritten ist und wie organisieren dann Peer Group Learning, wo es vor allem darum geht, sich in einer Gemeinschaft darin zu unterstützen, die vielen Unsicherheiten und Ungewissheiten, die auf dem Weg liegen, gemeinsam zu schultern und zu managen. Auch wenn alle was sehr Eigenes machen, ist die Situation, sozusagen Wege zu gehen, die noch keiner gegangen ist. Natürlich eine, die viele eint. Und da versuchen wir nicht nur sozusagen Peer Group Learning zu organisieren, sondern Mentor*innen an die Seite zu stellen. Wir versuchen, Zugänge zu organisieren, auch weil wir zu einer der ersten Seed-Förderungen sind natürlich Zugang zu schaffen in Netzwerke hinein, in politische Kontexte hinein, wo das, was die Menschen machen, auch gesehen wird und sie darüber eben auch dann nicht nur immaterielle, sondern vielleicht auch materielle Unterstützung bekommen können.

Gregor: Und ist das begrenzt auf einen Zeitraum?

Backes: Ja!

Gregor: Oder es haben dann quasi in so einem Pool wie Alumni, sag ich mal.

Backes: Also es hat sich in den zwölf Jahren herausgestellt, dass man sein Leben lang Kreativpilot*in anscheinend ist. Also das Netzwerk der Kultur- und Kreativpilot*innen ist jetzt, weiß gar nicht, auf über 400 Unternehmungen irgendwie angestiegen und die Gemeinschaft dieses Netzwerks ist hervorragend. Also man kann wirklich davon sprechen, dass das ein gelebtes Netzwerk ist, wo jeder jeden anrufen kann und Unterstützung erfährt. Und man ist sozusagen jetzt ein Jahr lang offiziell begleitet. Aber es gibt auch jetzt von unserer Seite auch viel mehr Aktivitäten, gezielt und aktiv ehemalige Preisträger*innen einzubinden und sie zu aktivieren, noch ein bisschen mehr zu tun als das, was sie in der Vergangenheit getan haben. Und das war schon relativ viel, wenn sie unterstützen und supporten. Aber es gibt auch einen Wunsch danach, viel mehr Kooperationen und Co-Creation-Prozesse zu organisieren. Und dem gehen wir im Moment nach.

Gregor: Ist es erschwert durch die, ich sag mal, Social-Distance-Vorgaben? Das könnte ich mir vorstellen. Netzwerken lebt ja so wie die ganze Messe-Industrie, sag ich mal, vom persönlichen Austausch. Die Leute brauchen auch einfach diesen Spirit, wollen das gegenüber auch erleben sozusagen. Hat es viel verändert?

Backes: Also es hat sicherlich ein bisschen was verändert, aber es hat auch an der einen oder anderen Stelle Erleichterungen gebracht. Da wir ja eine bundesweite Auszeichnungen sind. Es ist so, dass die Reisekosten für digitale Treffen dadurch wegfallen und auch die Aufwendungen irgendwie sich in Zug zu setzen und irgendwo in ein ganz fernes Bundesland zu reisen: Das empfinden einige als eine extreme Erleichterung, auch bei den Jury-Gesprächen, die dann eben nicht mehr live stattfinden, sondern digital, ist das für den einen oder anderen eine Erleichterung. Aber ich glaube, das ist eine sehr persönliche Präferenz. Also es gibt natürlich Menschen, die das bevorzugen des digital zu machen. Es gibt andere, die das sehr vermissen, in einem persönlichen Austausch zu sein. Und ich glaube, das gilt für die Kultur- und Kreativpilot*innen wie für die gesamte Bevölkerung, dass da, wo es darum geht, sich wirklich persönlich zu begegnen, immer irgendwie so einen Missing Link bleibt, wenn man das dann digital macht. Und natürlich geht ganz viel zwischen den Zeilen, aber wir haben jetzt einen Jahrgang komplett digital durchgeführt in der Pandemie und das hat natürlich sehr, sehr viel verändert. Aber ich war und wir alle waren sehr erstaunt, dass es uns trotzdem gelungen ist, das, was uns da dran wichtig ist, den Austausch so zu organisieren, dass man versucht, auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Und wie soll ich sagen, Wissen zu teilen und ein Vertrauensverhältnis herzustellen, dass das dann doch erstaunlich gut gelungen ist.

Gregor: Das klingt toll. Roxana Hennig, wollen wir mal direkt ins Eingemachte gehen, sozusagen.

Hennig: Ja.

Gregor: Jetzt sind wir auch neugierig geworden, welche Erfindungen, sag ich mal, welche kreativen Prozesse da besonders ausgezeichnet wurden.

Ich sagte es schon eingangs: Sie bieten Virtual Reality für Senioren an. Sie ermöglichen Ihnen eine virtuelle Reise, den Senior*innen. Wie genau muss ich mir das vorstellen?

Hennig: Genau. Unser Motto ist „entspannen, entdecken und erinnern“. Und wir schicken sozusagen die Senior*innen auf Reisen komplett im virtuellen Raum. Starten in einem virtuellen Wohnzimmer, suchen sich dann was entsprechend ihren Interessen aus. Und dann geht's mit einem Klick auch direkt schon los. Man braucht dafür eine VR-Brille. Und wir haben sozusagen die App dazu entwickelt, dass man wirklich ganz angepasst auf den Pflegebereich technisch mit ganz wenig Barrieren direkt in die virtuelle Welt starten kann. Und wir haben ein großes Angebot an Filmen produziert. Da sind die verschiedensten Ziele dabei. Da kann es also entweder ganz weit weg gehen: nach Asien, Afrika, nach New York, durch den Central Park, nach London. Oder aber man entscheidet sich, Orte zu besuchen, die man selber noch kennt. Zum Beispiel die Ostsee oder eben ein Spaziergang durch die Hauptstadt Berlin. Das heißt, für jeden sollte entsprechend seiner Interessen und seiner Biografie was dabei sein. Und diese Reisen sorgen dann für sehr viele positive Emotionen. Die sind gleichermaßen geeignet für Menschen mit demenziellen Erkrankungen oder auch mit körperlichen Einschränkungen. Und wenn man dann also auf so einer Reise war, dann wirkt das noch sehr lange nach. Und man hat dann also viele positive Gefühle, äußert sich. Es kommen Erinnerungen wieder hoch, man tauscht sich darüber aus und ist dann mal für einen Moment raus aus diesem Pflegealltag.

Gregor: Wie sind Sie darauf gekommen? Also ich stelle mir vor, dass selber im Umfeld Senior*innen. Da war der Versuch, schon ein seniorengerechtes, mit großen Tasten versehenes Handy zu überreichen, sozusagen. Es war schon eine riesen Hürde im Kopf und diese, diese VR-Brillen, das ist ja auch sehr klobig und grob. Also, gibt's da Berührungsängste?

Hennig: Das haben wir uns natürlich am Anfang auch gefragt. Tatsächlich ist die Idee aus meiner persönlichen Erfahrung in der Familie heraus entstanden. Da gings meine Oma, die irgendwann eigentlich mal früher: „Mit meinem Mann, der ist inzwischen verstorben. Aber jetzt war ich nochmal in der Sächsischen Schweiz“, und das sind dann eben die tollen Momente, für die wir das eigentlich auch machen.

Gregor: Wie sind Sie auf die Destinationen gekommen? Also wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie quasi ein Portfolio von Orten, die man … aus denen man auswählen kann. Wonach haben Sie das ausgewählt?

Hennig: Wir haben das ja in einem Netzwerk zusammen entwickelt, gemeinsam mit Pfleget, Experten und Medienexperten und sind dann gestartet, eigentlich mit einer kleinen Runde von Vorschlägen, die jetzt erst mal so die Evergreens abdecken. Also bestimmte große Städte und bestimmte Naturerlebnisse. Und dann haben wir uns das Feedback aus den Einrichtungen direkt geholt und haben dann eigentlich gesprochen, was wären Wünsche und haben versucht, die sukzessive umzusetzen. Wobei das auch nicht so ganz einfach ist, weil diese 360-Grad-Aufnahmen mitunter doch komplizierter sind, als es scheint und vor allem auch die Postproduktion dann mit diesen riesigen Datenmengen. Und so haben wir doch eine ganze Weile gebraucht und haben uns aber jetzt ein schönes Portfolio erarbeitet in Kooperation mit Kameramännern weltweit, die dann also für uns in Australien oder in Südafrika gedreht haben. Und natürlich auch auf eine bestimmte Art und Weise, weil tatsächlich für die Zielgruppe muss es doch relativ ruhig zugehen und einfach diese schnellen Bewegungen versuchen wir auszulassen, damit „motion sickness“ gar nicht erst aufkommt. Und darum sind das ganz spezielle Videos und darum wollten wir die eben auch selber produzieren.

Gregor: Wie lang geht da so ein Video in etwa?

Hennig: Also wir haben verschiedene Varianten. Man kann einsteigen mit kleinen 5 Minuten Videos. Wenn man das erst mal ausprobieren möchte. Ist dann auch Videos, die sich zum Beispiel aufs Wetter oder auf verschiedene Farben oder Tiere beziehen: Und dann haben wir unsere klassischen Ausflüge, die gehen zwischen zehn und 20 Minuten und die decken dann also alle schönen Orte innerhalb von einer Stadt ab. Da haben wir jetzt gerade ganz neu Rom und Paris gedreht und die werden dann demnächst auch ins Portfolio kommen, sodass hoffentlich jeder was findet, was ihm gefällt.

Gregor: Wie setzt man das konkret um? Also verkaufen Sie jetzt diese Brillen samt App? Oder müssen Sie Pflegepersonal schulen, um damit umzugehen? Oder haben Sie ein Team und gehen da selber in die Einrichtungen rein? Wie muss ich mir das vorstellen in der Praxis?

Hennig: Wir haben da also wirklich ein Paket geschnürt, was fix und fertig ist. Das besteht aus dem Headset, aus unserer virtuellen Wohnzimmer-Applikation und natürlich dem Filmprogramm. Und das versenden wir. Also das gibt es schon, das kann man bei uns auf der Website kaufen. Gott sei Dank ist es von der Barriere her so, dass man ganz gut damit einsteigen kann. Selbst das Pflegepersonal, was noch nie mit VR zu tun hatte, kann sich da reinfinden. Wir haben da Einführungen, Videos zur Verfügung gestellt und so ist es möglich, dass man das bestellt und dann komplett ohne unsere Hilfe direkt auch auspacken und anwenden kann, was gut ist. Denn natürlich macht die aktuelle Situation es für uns immer schwieriger, in die Heime zu gehen. Am Anfang haben wir das ganz viel und ganz gerne gemacht, dass wir das direkt mit ausprobieren. Aber das ist jetzt natürlich schwieriger geworden.

Gregor: Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen, nämlich Inwieweit haben jetzt Lockdown und auch die Isolation älterer Menschen eine Auswirkung auf ihre Arbeit?

Hennig: Also wir sind ja Ende 2019 nach einem Jahr Entwicklungszeit dann gestartet und waren da wirklich frohen Mutes. Hatten auch ganz tolle Termine in den Seniorenheimen. Da war z.B. ein Herr, der hat gesagt, seine Tochter ist Englischlehrerin und die fährt mit der Klasse immer nach London. Er war da noch nie. Jetzt hat er das bei uns als virtuellen Film geguckt und jetzt kann er sich mit ihr ja mal über London austauschen, weil jetzt hat er auch eine Vorstellung. Es waren also wirklich immer ganz tolle Begegnungen in den Seniorenheimen. Die sind dann abrupt geendet, das ist klar. Gerade zu Beginn der Pandemie war das ja so eine Art Schockstarre, in die vor allem auch die Einrichtungen verfallen ist. Und das war uns auch völlig klar. Also das haben wir natürlich gar nicht irgendwie vorangetrieben, weil klar war, die haben jetzt erst einmal andere Sorgen, die müssen sich jetzt erst einmal um ganz elementare Sachen kümmern und um die Sicherheit. Und als sich das dann ein bisschen gelegt hatte, haben wir aber schon gemerkt, dass auch das Bedürfnis natürlich da ist, den Senioren, die ja jetzt noch mehr in Isolation leben, noch weniger Abwechslung haben, irgendetwas bieten zu wollen. Und da sind dann die Einrichtungen, also nachdem der erste Schreck überwunden war, auf uns zugekommen und waren da sehr offen für neue Ideen, um einfach dann diesen Alltag, der jetzt noch bedrückender geworden ist, etwas lebendiger gestalten zu können. Und so ist jetzt auch die aktuelle Situation, dass wir also da einen Austausch mit den Einrichtungen sind und dass sie das sehr gerne nutzen, um mit den Senioren was zu erleben.

Gregor: Herr Backes, was hat Ihnen denn so gut an Remmy VR gefallen? Warum hat Frau Hennig diesen Preis bekommen?

Backes: Sie hat zu Recht diesen Preis bekommen, aber nicht, weil mir persönlich etwas gefallen hat, sondern weil sie die neun Jury-Mitglieder überzeugt hat. Und das hat sicherlich damit zu tun, das was sie macht, eine unglaubliche Relevanz hat. Und einen Impact hat. Also dass ein gesellschaftlicher Aspekt drin und ganz bestimmt auch das Element, dass sie das aus einer persönlichen Betroffenheit sozusagen angefangen hat. Das ist häufig ein Element, das bei uns zu finden ist, dass Menschen aus einem Mangel, den sie sehen, oder eine Lücke, die sie infizieren oder eine andere Perspektive auf das immer Gleiche plötzlich sagen. Das sehe ich jetzt und das muss gemacht werden. Und es ist dann immer sehr überzeugend.

Gregor: Ist das Charakter, dass wir die Einsendungen, das quasi grundsätzlich aus einem Mangel heraus was Neues, was ich am Eingang gesagt habe, was Neues entsteht, weil die Leute einfach merken, hier fehlt was, was das Leben verbessern könnte?

Backes: Also in der Innovations- und Unternehmer*innenforschung ist es tatsächlich ein Thema, dass man sagt, dass „User Entrepreneurship“, das sind eben die Menschen, die feststellen, hier fehlt was und die es dann einfach machen. Und das Zweite, was es gibt, ist eben, dass unzufriedene Kund*innen häufig sozusagen der Innovations-Auslöser sind. Also nicht die Innovations-Labore der Firmen, sondern eigentlich, dass die Kund*innen unzufrieden sind und merken, wir müssen eigentlich mal hier was tun. Und daraus entsteht dann die Innovation.

Gregor: Und selbst das in die Hand nehmen und nicht warten darauf, dass Unternehmen das erkennen.

Backes: Das ist so, ja. Also Ihr Unternehmen versuchen das immer mehr. Jetzt auch, weil sie es natürlich gelernt haben, in den Dialog zu treten. Aber haben natürlich dann auch nicht die Entwicklungsgeschwindigkeit, die neugegründete Unternehmungen haben. Und deswegen ist es bei uns eher die Regel als die Ausnahme, dass wir mit Menschen zu tun haben, die mit gesellschaftlichen Umständen unzufrieden sind.

Gregor: Sind es oft soziale Projekte? Also das Beispiel von Remmy VR ist ja sehr sozial.

Backes: Also, ja.

Gregor: Unser nächstes Beispiel ja auch.

Backes: Das hat durch… Also wenn man sich gesellschaftlich interessiert, gibt's immer sozusagen eine soziale Komponente. Im neuen Koalitionsvertrag findet sich ja wieder, dass soziale Innovationen bitte auch genau so sehen und wahrgenommen werden wie technische Innovationen. Und das ist natürlich ein Aspekt, der unser Feld ganz besonders betrifft. Natürlich ist die Kultur- und Kreativwirtschaft an der einen Stelle mit neuen Technologien unterwegs – siehe VR und anderes, ne. Andererseits ist immer die Frage: Ist nicht der Content eigentlich das Wesentliche, der Treiber? Also war es beim iPhone nicht doch das, was drin ist, also das Design, plus sozusagen, dass die Menschen Musik hören wollen, eigentlich der Treiber. Und dieses Henne-Ei-Problem lässt sich letztlich nicht auflösen. Aber man kann natürlich feststellen, dass die Großinvestitionen des Staates eher in die Technologie gehen und weniger ins Soziale. Und unser Interesse ist schon auch mit dieser Auszeichnung deutlich zu machen, dass das eigentlich andersherum gehört.

Gregor: Alissa Hitzemann. Wir haben uns aufs Du geeinigt. Du bist hier der kreative Kopf hinter dem Lernkartenspiel „B wie Berlin“, auch ein sehr soziales Projekt. Ich habe auch ein Exemplar. Und auf den ersten Blick sieht man bunte Bilder und einzelne Buchstaben, so wie man sich auch ein Lernkartenspiel für, ich sage mal, Vorschulkinder vorstellt. Doch unter beispielsweise P sieht man dann keinen Panda oder einen Papagei oder was man meint, was ein Kind besonders gut assoziieren kann. Auf der Karte sieht man dann sehr unterschiedliche Menschen, verschiedener Hautfarben, verschiedene Typen, die Plakate und Schilder hochhalten und darunter steht „Protest“. Das ist ja schon sehr politisch. Wie bist du darauf gekommen, diese Art von Lernkarten zu machen?

Hitzemann: Hallo, erst einmal danke, dass ich da sein darf. Heute. Ja genau bei uns steht das P für Protest, ja, ich habe ein ABC-Lernkartenspiel, ABC-Lernkartenset entwickelt, das heißt B wie Berlin. Und da geht es darum, dass die Kinder eben nicht nur das Alphabet lernen, sondern auf spielerische Art und Weise auch das Alphabet lernen, aber vor allem auch Berlins Geschichte, spannende Geschichte und vielfältige Kultur entdecken. Und da war uns wichtig, dass die Kinder auch politische Bildung mitkriegen, sozusagen. Und da passt P wie Protest zu Berlin genauso gut wie Curry oder Döner. Denn jeder weiß, dass in Berlin glaube ich im Schnitt ungefähr zehn Demos am Tag stattfinden.

Gregor: Können das Kinder denn verstehen? Ich meine, du gibst eine Anleitung mit dazu, wie man die Karten idealerweise einsetzt - je nach Alter. Aber ich finde das schon gar nicht unkomplex.

Hitzemann: Ja, auf jeden Fall. Also wir haben uns darauf geeinigt, dass die ungefähr ab drei Jahre anzuwenden sind, die Karten. Man kann unterschiedliche Sachen damit machen: Also man kann die auch ganz normal – wie man ein Bilderbuch betrachten würde – betrachten, da die Illustrationen sehr bunt sind und es auf jeder einzelnen Karte sehr, sehr viel zu entdecken gibt. Das heißt, man kann sie einfach benützen, um sozusagen den Wortschatz zu erweitern, um verschiedene Geschichten sich auszudenken dazu.

Hitzemann: Oder man kann eben mit älteren Kindern dann auch schon ganz bewusst bestimmte politische Themen angehen. Ob das P wie Protest ist oder W woe Wende oder eben auch L wie Luftbrücke. Wir haben die so kreiert, die Karten, dass ungefähr die Hälfte der Begriffe das sind ja 26 von A bis Z. Die Hälfte der Begriffe sind, welche die jedes drei-, vierjährige Berliner Kind schon mal gehört haben sollte oder schon kennt. Und die andere Hälfte sind eben Begriffe, die man sozusagen durch die Lernkarten dann erst lernt.

Gregor: Und wie bist du darauf gekommen, diese Karten zu machen?

Hitzemann: Genau. Also ich bin Afrodeutsche, ich bin Mutter von zwei Kindern und wäre Corona nicht passiert, dann wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen. Denn die Idee ist dadurch entstanden, dass ich plötzlich zuhause mich befunden habe mit den zwei Kids im Homeschooling und im Lockdown. Das war im Februar 2020 letzten Jahres. Ich war alleine mit zwei Kindern und musste sozusagen mir irgendetwas ausdenken, wie ich sie den ganzen Tag entertainen kann zu Hause. Und auch das Homeschooling machen natürlich mit meinem Sohn, der in der Schule war und noch immer ist. Da war die kleine Schwester da und sie geht noch immer in die Kita. Aber sie wollte auch Hausaufgaben machen. Sie wollte auch lernen auf einmal. Natürlich, sie hat sich auch gelangweilt und hat ihre ganzen Freundinnen und so weiter vermisst. Und dann hab ich mir gedacht: Gut, dann bringe ich ihr das Alphabet bei und bring ihr bei, wie sie ihren Namen schreiben kann. Das ist ja so ein erstes Erfolgserlebnis, glaube ich, für jedes kleine Kind, wenn man auf einmal seinen eigenen Namen schreiben kann und das dann überall drauf schreibt. Und so bin ich darauf gekommen, dass ich ihr das Alphabet beibringe und hab geschaut, was ich zu Hause habe.

Gregor: Ganz kurz: Wie alt ist oder war sie zu dem Zeitpunkt?

Hitzemann: Sie war drei Jahre alt.

Gregor: Ah ja.

Hitzemann: Genau richtig. Sie war drei Jahre alt und sie wollte dann das ABC lernen, das Alphabet lernen. Und ich hatte zu Hause in der Küche so ein großes Lernposter. Das kennen bestimmt viele auch aus den Kitas. Oder man hat es eben auch zu Hause im Kinderzimmer. Und da steht dann z.B. A und da ist ein Affe und dann E ein Elefant und so weiter. Und es ging dann bei den Tieren, die sie schon kannte, ziemlich gut. Aber es gab dann auch sehr viele Tiere, wo sie irgendwie gar nicht wusste, was sie damit anfangen sollte, z.B. das Y wie Yack oder das N wie Nachtigall oder das Q wie Qualle. Und dann hab ich mir irgendwie darüber Gedanken gemacht, dass das ja eigentlich gar keinen Sinn ergibt mit irgendwelchen exotischen Tieren, die in Berlin das Berliner Kind noch nie gesehen hat, sogar Z wie Zebra hatten und vielleicht höchstens mal im Zoo gesehen, das Alphabet beizubringen. Warum dann nicht mit Begriffen aus unserem Alltag, aus Berlin sozusagen, mit denen die Kinder sehr vertraut sind? Und da kam dann eben K wie Kita oder A wie Alexanderplatz. Und so kam mir die Idee. Ich hab mal ein bisschen recherchiert online, hab gesehen, das gibt's noch nicht. Und dann hab ich meiner Schwester davon erzählt und sie hat gesagt: „Alissa, wenn du das machen möchtest, dann helfe ich dir dabei.“ Und dann haben wir uns einfach hingesetzt und ich hatte wirklich im April hatte ich die Idee und im August hab ich dann mein erstes Karten-Set verkauft.

Gregor: Wahnsinn. Aber wie war das mit Finanzierung etc. Also, dass es so glatt läuft. War das alles … Haben Sie Sponsoren gefunden oder haben Sie das selbst finanziert?

Hitzemann: Nee, ich hab das alles. Ich hab das alles selbst finanziert. Ich hab das alles selber einfach nur gemacht. Und ich bin sehr froh darum, dass ich die Idee hatte und einfach angefangen habe. Denn wenn man im Nachhinein sieht, was das alles für Bürokratie gibt und so weiter. Wenn man ein Unternehmen gründen möchte in Deutschland, dann kann das schon den einen oder die andere vielleicht abschrecken. Ich wusste gar nichts darüber. Ich hatte auch noch nie irgendein Unternehmen irgendwie aufgebaut. Ich komme gar nicht aus dem Bereich. Ich komme eher aus dem Non-Profit-Bereich. Ich habe einfach die Wörter sozusagen mir ausgesucht für jeden Buchstaben. Zusammen mit meinem Sohn hab ich das gemacht und mit meiner Schwester und hatte dann eine kleine Fokusgruppe von ungefähr zehn Eltern hier aus Berlin, die Kinder hatten im gleichen Alter: Also Drei-, Vier-, Fünfjährige, ungefähr aus Ost- und Westberlin Zugezogene und Berliner und Expats und so weiter. Und dann haben wir die Wörter, die Begriffe, die verwendet werden. Und dann habe ich eine Illustratorin gesucht und es ging einfach alles ziemlich schnell. Es war alles online, alles digital, was für mich auch neu war, weil ich gerne lieber in Person arbeite. Aber, das geht alles, ist alles möglich. Ich hab dann über Zoom sechs verschiedene Illustrator*innen interviewt und hab dann meine gefunden. Nour Abdallah, die auch Mutter ist und die auch in Berlin lebt und eine Druckerei gefunden, auch online. Aber mir war wichtig, dass die in Berlin ist die Druckerei, damit ich dann, als das mit Corona ging, auch persönlich vorbeigehen konnte. Ja und ich hab das eigentlich alles selbst aus meinem Ersparten, diesen Corona-Bonus, den wir auch bekommen haben, von der Bundesregierung für die Kinder hab ich einfach klein angefangen. Ich wusste ja gar nicht, ob irgendjemand das kaufen würde oder interessant finden würde. Aber nach ein paar Monaten war dann die erste Auflage ausverkauft und ich konnte für die zweite Auflage doppelt soviel bestellen. Und jetzt bin ich bei der dritten Auflage und hab wieder genau doppelt so viel wie die vorherige bestellt. Also von daher. Es wächst stetig.

Gregor: Herr Backes, ist das genau die Unternehmer-Persönlichkeit, die Sie meinen? Also, sie spricht ja sogar das Thema Non-Profit an. Das hatten Sie mir im Vorfeld auch schon gesagt, dass es durchaus auch ein Aspekt ist, dass die Menschen nicht zwingend damit reich werden wollen mit ihrer Idee?

Backes: Ja, das ist ein perfektes Beispiel. Das Lehrbuch-Beispiel. Das klingt jetzt so … Also leider sind die Lehrbücher nicht voll mit diesen Beispielen. Aber daran arbeiten wir ja, das versuchen, das deutlich zu machen. Das ist genau die Art und Weise, wie unternehmerisches Denken und Handeln funktioniert. Ich muss bei dem Beispiel mal an den Baby-Jogger denken. Den kennt ja auch jeder: wenn Leute irgendwie so durch einen Park joggen. Das war auch irgendwie eine Erfindung von jemandem, der das irgendwie für sich selber dachte, weil er joggen und aufpassen wollte aufs Kind, kombinieren wollte. Da hat er auch eine Fokusgruppe gebildet, genauso wie Alissa. Also so, das ist so,

Gregor: Das ist sehr professionell durchstrukturiert, oder?

Backes: Total, ich wüsste gar nicht …

Gregor: West und Ost, also Wahnsinn.

Backes: Also als Coach überflüssig an der Stelle. Das ist alles. Alles perfekt gemacht. Machen Marketing-, Research-Experten, ja.

Backes: Ja. Das ist wirklich … So macht man es. Ich wüsste gar nicht, wie es anders geht. Und es ist ein tolles Produkt. Ich hab's ja auch vor mir liegen, ne. Selbst meine großen Kinder finden es gut. Als der 16-Jährige findet das auch gut. Es setzt dann Fantasie frei, wie dann die Version aussehen könnte für die älteren Kinder. Also es hört nicht auf mit dem Alphabet.

Gregor: Das stimmt. Sie haben mir auch erzählt, dass sie durch die Einsendungen einen Blick in die Zukunft bekommen. Bestimmte Themen, die Sie zuerst zu sehen bekommen, kamen dann später in der breiteren Gesellschaft viele Jahre später an. Haben Sie noch ein weiteres Beispiel für uns?

Backes: Also das Thema Nachhaltigkeit ist sicherlich eins, das seit Beginn der Auszeichnung… Damit haben wir zu tun: Also das Ausprobieren mit neuen Materialien, mit Pilzkulturen, Insekten, im Thema Ernährung neue Wege gehen. Das sind so Themen, die kontinuierlich seit zwölf Jahren sicherlich Menschen umtreiben. Aber wo wir ganz früh schon festgestellt haben, dass das solche Sachen sind: Bei den diesjährigen Preisträger*innen ist eine Preisträgerin dabei, die macht den alkoholfreien Späti in Kreuzberg „nüchtern. berlin". Und das ist natürlich auch so ein Trend, der in der Spitzengastronomie schon zu sehen ist. Oder an der einen oder anderen Stelle. So wie Veganismus, wo klar ist, wir sind eine durchalkoholisierte Gesellschaft und es gibt einen Wunsch nach Nüchternheit oder nach alternativen Formen des Geselligseins und sich Betrinkens eben mit nicht alkoholischen Getränken. Und das ist sowas, was sich dann früh bei uns zeigt, dass es öfters so Einreichungen gibt, die in so eine ähnliche Nähe gehen. Und wir machen das tatsächlich zum ersten Mal professionell mit einer Agentur The Third Wave. Das ist ein Zukunftsforschungsinstitut, die haben anonymisiert sämtliche Einreichungen, die wir dieses Jahr hatten, gescannt und geguckt nach verschiedenen Mustern und Spots. Und da sieht man eben tatsächlich, dass dieses Thema „Transformation der Gesellschaft“ ins Soziale hinein, in soziale Innovationen ganz, ganz stark zumindest bei den Einreichungen, die wir haben sich widerspiegelt.

Gregor: Da würde ich gleich nochmal drauf zurückkommen. Sie haben ja jetzt auch so ein bisschen das Stichwort gegeben. Frau Hennig, wie ist denn die Resonanz auch beispielsweise beim Pflegepersonal, was diese Brillen betrifft? Ich könnte mir vorstellen, dass es… sagt mir auch eigentlich … man kennt es aus der Gaming-Szene. Ich selber habe auch noch nie eine VR-Brille in der Hand gehabt, geschweige denn auf den Augen. Weckt das so ein bisschen die Neugier. Könnte es sein, dass da auch die VR-Brille in zehn Jahren in jedem Haushalt liegt?

Hennig: Also das weiß ich jetzt nicht. Aber letztendlich ist es schon so. Ich hab gerade gestern ein Telefonat mit einem Kollegen aus der Pflege, der gesagt hat, sue haben die Brille jetzt neu und sie testens gerade durch im Kollegium. Meine Frage war: Wie gefällt es denn den Seniorinnen? Aber er hat gesagt: „Nee, wir sind noch bei uns hängen geblieben. Wir mussten erst mal alle probieren. Wir kannten das auch noch nicht und sind ganz begeistert.“ Das ist wirklich ein großer Effekt, wenn man die vorher noch nie aufhatte. Es ging mir auch so, wenn man das zum ersten Mal wahrnimmt. Es ist einfach eine ganz andere Art von Medium, nicht zu vergleichen mit normalem Fernsehen oder mit Fotos anschauen, sondern man ist quasi ein Stück weit abgeschnitten von der Außenwelt, aber im positiven Sinne, dass man sich voll auf diese Umgebung konzentriert. Da ist ja auch entsprechende Sound-Umgebung dazu und auch ein Sprecher, der wenn man möchte Erläuterungen zu dem Film gibt. Und das heißt, man kann da richtig drin versinken. Und das ist wirklich eine neue Erfahrung. Und da kommt auch diese tolle Wirkung her, dass sie das Feedback aus dem Pflegebereich auch ist, dass Leute, die schon an einer starken Demenz leiden und wenig Reaktionen zeigen, dann doch reagieren, wenn dann so einen Elefantenrüssel ganz nahe kommt und solche Begegnungen stattfinden. Und natürlich erfreut das dann auch das Pflegepersonal, das auch für die eine gewisse Abwechslung ist und ein Ansporn, neue Sachen in ihren Berufen auszuprobieren und einzusetzen. Und das ist auch so ein Effekt, dass das nicht nur für die Bewohner und Bewohnerinnen eine Bereicherung ist, sondern auch für das Personal, was eben einfach mehr Möglichkeiten hat, auch den Alltag für die Bewohner zu gestalten.

Gregor: Vielen Dank. Alissa, eine Frage noch an dich: Ich habe sie dir schon im Vorgespräch gestellt, aber ich möchte es nochmal offiziell machen. Können wir denn auf weitere Editionen dieser Karten uns darauf freuen?

Hitzemann: Ja, auf jeden Fall. Wie kriegen diese Frage jede Woche? Ich habe ja eine sehr aktive und engagierte Instagram Community, muss ich dazu sagen. Also für jede neue Entrepreneurin, also eine neue Unternehmerin. Das Instagram ist so wichtig, Social Media ist so wichtig, in der Pandemie jetzt in Coronazeiten noch viel wichtiger geworden. Wir haben noch nie Werbung geschaltet, sondern alle auch B2B-Kund*innen sind also unsere Buchhandlungen und unsere Spielwarenhändler*innen und Concept Stores und so weiter sind auf uns zugekommen, weil sie uns auf Social Media entdeckt haben, auf Instagram. Und ja, ich entwickele mein Produkt weiter oder meine Produkte weiter, zusammen mit meiner Instagram Community, mit meinen Fans auf Instagram. Und sie sagen mir dauernd, was sie für neue Produkte sich wünschen von mir. Das sind nicht nur Malbücher, Puzzle, Memory, Spiele und so weiter, sondern eben auch andere Städte. Das ist H wie Hamburg ganz oben auf der Liste.

Gregor: Wäre ich ein Fan von, ja.

Hitzemann: welchem es einfach heißt, da wird am meisten nachgefragt aus allen deutschen Städten. Und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das erweitere auf andere deutsche Städte oder eben auch international andere Hauptstädte. Aber es gibt sehr viele Möglichkeiten, das Konzept sozusagen mit anderen Themen zu erweitern.

Gregor: Wunderbar. Herr Backes, ich wollte jetzt nochmal auf diese Analyse von Third Wave eingehen, weil ich fand es sehr spannend, weil Sie mir das auch schon im Vorgespräch gesagt haben. Die Studie läuft noch, haben Sie mir gesagt. Aber es gibt ja schon erste Erkenntnisse, von denen Sie uns erzählen können.

Gregor: Was fällt besonders auf bei den Einsendungen?

Backes: Also ich spoiler das jetzt mal, weil die Kolleginnen und Kollegen das natürlich erst demnächst veröffentlichen. Es wird auch frei zugänglich sein für alle. Aber ich glaube sozusagen, das Thema für uns ist zumindest, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft wie ein Brennglas zeigt, welche Transformationsthemen die Gesellschaft im Moment umtreibt. Da gibt es so große Narrative. Das Zeitalter der Pandemien betrifft viele Leute, die sich wirklich Gedanken machen. Das Thema mentale Gesundheit ist darin ein Thema. Das Thema Nachhaltigkeit – eben nicht nur als ein Thema, das uns umtreibt, sondern dass es ziemlich schwer wird, den Weg dahin zu gehen in Bezug auf Klima-Herausforderungen. Das Thema Teilhabe und Inklusion ist ganz prominent als ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen und werden. Und insgesamt ist sozusagen tatsächlich die Antwort der Einreichungen immer sehr unternehmerisch, so wie wir das jetzt auch gerade von den Preisträger*innen hören: Einfach machen, loslegen! Und eine Antwort finden und versuchen, sozusagen navigieren beim Driften und nicht irgendwie den großen Masterplan zu entwerfen, sondern die großen Themen mit kleinen Lösungen bereichern. Das sind sicherlich so Themen, die uns umtreiben, die da als Erkenntnis drinstecken. Wie valide diese Trend-Aussagen sind. Das sagen uns ja Zukunftsforscher auch. Wir werden das wahrscheinlich jetzt beim 13., 14. und 15. Jahrgang auch wieder machen, um zu gucken was sind da so Themen, die überraschend kommen. Ein Thema, das uns total überrascht hat, ist die analysieren dann nur verschlagwortungmäßig alle Wörter. Naja, gucken, was ist das meist genannte Wort. Und das war bei allen Einreichungen das Wort „Kind“. Und das hat uns natürlich irgendwie überrascht, dass wir gesagt haben: interessant! Das hätten wir jetzt nicht vermutet. Wir hätten gedacht „Geschäftsmodell“ oder „Zukunft“ oder sowas.

Gregor: Aber was leiten Sie daraus ab?

Backes: Ja, also dass die Zukunftsthematik tatsächlich bei vielen auch damit zu tun hat, dass sie das Angebot, das sie machen, an Kinder adressieren oder über Kinder sich Gedanken machen und da ansetzen, wo man möglicherweise den allergrößten Hebel für die Zukunftsgestaltung sehen kann, nämlich bei der Ausbildung, Fortbildung oder Weiterentwicklung unserer Kinder.

Gregor: Aber ist da die Conclusio, dass da vielleicht der größte Mangel auch in der Gesellschaft herrscht?

Backes: Das könnte im Gegenzug eine Conclusio sein. Also das, was Alissa ja auch gerade erzählt hat: Ich hab auch zwei Kinder und die Pandemie und Kind sein in der Pandemie ist eine interessante Herausforderung, insbesondere was Schule betrifft. Manchmal hab ich das Gefühl, Schule … Es gibt ganz, ganz tolle Lehrer*innen und tolle Schulen. Ich will jetzt nicht so ein allgemeines Bashing machen, aber es ist schon so, dass die Schule sich als Organisationsform seit meiner Schulzeit nicht wirklich so weiterentwickelt hat, dass man den Eindruck hat, man könnte von Weiterentwicklung sprechen.

Gregor: Na ja, kann ich als Mutter von zwei Kindern bestätigen, den Eindruck. Dieser Wettbewerb ist ja von der Bundesregierung. Was passiert mit diesem Erkenntnisgewinn?

Backes: Ja, das ist jetzt ja eine neue Bundesregierung, die wir ja jetzt haben. Unser Versuch ist natürlich, diese Erkenntnisse an die Multiplikatoren und Entscheidungsträger*innen heran zu bringen, ihnen zu sagen: Guck mal, das ist eine valide Datenbasis. Also es gibt ja z.B. bei der Bundesregierung die Technologiefolgenabschätzung. Das ist ein Referat, die versuchen, jede neue Technologie abzuschätzen. Was bedeutet das für das Innovationsgeschehen? Und im Prinzip bräuchten wir sowas für soziale Innovationen auch. Dass wir so eine Art Antizipations- und Frühwarn-Kontext sicherlich auch an der einen oder anderen Stelle den Entscheidern mitgeben. Dass sie wissen, was sie nicht wissen. So oder umgekehrt. Ihnen helfen, mehr sehen zu werden. Und das versuchen wir. Das haben wir auch bei der alten Bundesregierung schon versucht. Das versuchen wir mit mehr oder weniger Erfolg. Das ist immer abhängig von Personen. Das ist auch immer abhängig davon, welche Regierung gerade welche Offenheiten hat. Im Moment mit der neuen Regierung ist zumindest Fenster aufgegangen oder eine Tür offen, durch die wir natürlich versuchen, auch hindurchzugehen.

Gregor: Dann drücken wir dafür die Daumen. Es würde uns allen helfen und nutzen, denke ich. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Roxana Hennig von Remmy VR in Magdeburg.

Hennig: Vielen Dank!

Hennig: Alissa Hitzemann aus Berlin und Christoph Backes, Vorstandsvorsitzender des u-Instituts aus Berlin. Vielen Dank fürs Mitmachen. Wir werden die Infos rund um dieses Thema und diesen Wettbewerb und auch den Beiträgen in die Shownotes packen. Und vielen Dank fürs Zuhören und kommen Sie gut durch die Adventszeit!

Closer: Das war Coronazeit, ein Podcast der Eufoniker Audioproduktion. Wir produzieren Corporate Podcasts für Ihr Unternehmen. Wenn auch Sie einen Podcast starten möchten, besuchen Sie unsere Website www.eufoniker.de. Wir beraten Sie gerne.

Über diesen Podcast

Die Corona-Pandemie hat Wirtschaft und Gesellschaft verändert. Impfstoffe reichen nicht aus, manche bleiben liegen, weil sie keiner haben will. Der Druck nach Lockerungen ist da, trotz Mutationen. Viele dachten, wir sind 2020 aus dem gröbsten raus, doch dieses Jahr scheint uns Covid genauso im Griff zu haben. Viele Menschen sind in Kurzarbeit, andere haben neue Wege durch die Digitalisierung gefunden. Kinder und Jugendliche bleiben auf der Strecke. Wir reden mit Menschen aus verschiedenen Regionen, Branchen und Lebensrealitäten über Möglichkeiten, Erwartungen und Veränderungen in der Coronazeit.

von und mit Eufoniker

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